Stoffwindeln – Vorurteile vs. Wahrheit

 

Über Stoffwindeln kursieren teilweise recht urige Vorurteile – manchmal muss ich wirklich arg schmunzeln und bei einigen frage ich mich kopfschüttelnd, wie man überhaupt drauf kommt. Die gängigsten habe ich euch hier mal zusammengefasst.

 

Stoffwindeln sind…

…unmodern!
Nö!

Beim Wort Stoffwindel fällt den meisten ausschließlich die gute alte Mullwindel ein, von der Oma immer erzählt hat. Die, die man falten, wickeln, feststecken und hinterher per Hand auswaschen und bis zum Abkochen einweichen musste. Wer will denn sowas?! Nun ja, es war vor den ersten Wegwerfwindeln tatsächlich so – ist aber schon lange nicht mehr aktuell.
Die heutigen Stoffwindeln sind aus sehr modernen Stoffen hergestellt und gehen so prima mit der Zeit. Kein Falten, kein Auswaschen per Hand, kein Einweichen und auch kein Auskochen, die komplette Reinigung erledigt für uns heutzutage die Waschmaschine. Und je nach System sind sie sogar so einfach zu handhaben wie Wegwerfwindeln und sparen dabei zusätzlich mal eben bummelige bis zu 1,5 Tonnen (!) Müll pro Wickelkind. Wenn das in Zeiten von „Fridays for Future“ nicht modern ist, dann weiß ich auch nicht.

 

…total umständlich!
Nö!

Je nach System sind sie so einfach zu handhaben wie Wegwerfwindeln, nur dass sie nach dem Ausziehen statt in den Müll in die Wäsche wandern. Waschen muss man sie natürlich, das ist klar, aber auch hier heißt es: Maschine auf, Windeln rein, waschen lassen, trocknen, wegsortieren, fertig. Stoffwindeln machen heute nicht mehr Aufwand als jedes andere Kleidungsstück auch, und das auf Wunsch sogar schon beim Wickeln.

 

…richtig teuer!
Nö!

Um genau zu sein sind Stoffwindeln sogar richtig günstig! Aber es kommt natürlich auch auf ein paar konkrete Punkte an, wieviel günstiger man im Gegensatz zu Wegwerfwindeln letztlich davonkommt: Welches System und welche Marke werden genutzt? Kauft man neu oder gebraucht? Näht man vielleicht sogar selbst? (Ja, auch das ist äußerst gut möglich!) Wie wäscht und trocknet man? Werden sie von mehr als einem Kind getragen bzw. weiterverkauft?

Wegwerfwindeln kosten für eine pauschal angenommene Wickelzeit von 3 Jahren etwa 1.500 Euro aufwärts, je nach Marke und Wickelhäufigkeit. Hinzu kommen hier im Zweifelsfall noch erhöhte Müllgebühren, denn die normale Restmülltonne ist damit in kürzester Zeit überfüllt – schließlich werden über die gesamte Wickelzeit hinweg insgesamt etwa 1,5 Tonnen (!) reiner Windelmüll pro Kind verursacht! Mit einem Produkt, was gekauft, einmal genutzt und dann entsorgt wird. Im Fall von Schwimmwindeln übrigens sogar nach der kürzesten und sinnlosesten Nutzung, die man so kennt bei Windeln. Im krassen Gegensatz dazu stehen etwa 25 Stoffwindeln samt Einlagen und etwas Zubehör, die im Prinzip für die gesamte Wickelzeit ausreichen… Oh, und vielleicht noch eine Hand voll Schwimmwindeln.
Den Wert von 1.500 Euro hat man normalerweise aber gar nicht so vor Augen, denn man kauft ja etappenweise immer schön ein Paket nach dem anderen für ein paar mehr oder weniger läppische Euro (je nach Marke) und ehrlich, wer rechnet da am Ende schon nach?
Im Gegensatz dazu wirken Stoffwindeln auf den ersten Blick natürlich furchtbar teuer, da man sachgemäß nicht mit 2 Windeln starten und nach und nach immer mal eine dazukaufen kann, sondern gleich zu Anfang den Großteil oder sogar die komplette Ausstattung in einem Schwung anschaffen muss – je nach geplantem System.

Kurz gesagt kann man mit Stoffwindeln im Vergleich zu Wegwerfwindeln bei normaler Nutzung etwa zwischen 25-50% sparen. Werden sie für mehrere Kinder genutzt bzw. gut weiterverkauft, dann erhöht sich dieser Wert nochmal schlagartig. Denn gut gepflegte Stoffwindeln haben tatsächlich einen sehr hohen Wiederverkaufswert. Abgesehen davon sind zur finanziellen Unterstützung zum Beispiel Geld oder Gutscheine für Stoffwindeln hervorragende Geburtsgeschenke. 

 

…so viel zusätzliche Wäsche!
Nö!

Natürlich auch je nachdem, wie man „viel“ definiert. Ich persönlich habe genau 1-2 Waschmaschinenladungen mehr die Woche, was ich nicht viel finde. Wobei da bereits alle Babysachen eingerechnet sind, nicht nur die Windeln. Ich wasche ihre Windeln und Anziehsachen meist zusammen, da die Maschine mit Windeln aber eigentlich nie wirklich voll wird, kann man nach einem Vorspülgang zum Beispiel auch die übliche 60°-Wäsche wie Handtücher oder Bettzeug einfach mit dazu werfen. Effektiv also gar nicht so viel mehr Wäsche als man sowieso mit Baby hat. Spuckkinder jetzt mal außen vor gelassen – da fallen die Windeln dann wirklich nicht mehr ins Gewicht…

 

…unhygienisch!
Nö!

Auch hier kann ich immer nicht ganz nachvollziehen, wie man zu dieser Ansicht kommt und wieso Stoffwindeln unhygienisch sein sollten.
Fragt man genauer nach, dann bekommt man im Normalfall zur Antwort, dass Windelinhalt jeglicher Art in der Waschmaschine ja eklig sei und eine regelrechte Keimschleuder produzieren würde. Allerhöchstens Pipiwindeln können sich da einige noch grad so vorstellen, aber sobald mehr in der Windel ist, ists aus. Ich frage mich dann immer, was diese Leute wohl mit verunfallten Bodys und Co. machen…?

Irgendwie hab ich auch das Gefühl, dass dieses Vorurteil ein Mischmasch aus altem Problem und neuer Überreaktion ist. Altes Problem im Sinne von damals unzureichenden Waschmaschinen und schlechtem Waschmittel, ganz davon abgesehen, dass zu der Zeit kaum jemand überhaupt eine Maschine hatte. Und neue Überreaktion in Bezug auf Hygienewahn und Keimvernichtung als Rundumschlag – Stichwort Sagrotan, sag ich da nur. In dieser Riege gibt es dann übrigens tatsächlich die Fraktion, die alles, was mit Babykacke in Berührung kommt, einfach direkt wegwirft. Ernsthaft. Diese Reaktion erschließt sich mir persönlich dann noch viel weniger.

Fakt ist: Unsere heutigen Waschmaschinen und auch unsere Waschmittel sind Hightech im Gegensatz zu damals. Es braucht lediglich ein Programm mit zuverlässig erreichten 60° Waschtemperatur, vielleicht eine Vorwäsche, normales Vollwaschmittel und eventuell etwas zusätzliche Sauerstoffbleiche und Milchsäure. Ab und an eine Maschinenreinigung sollte man ja sowieso machen.
Und es landet auch gar nicht der komplette Windelinhalt in der Maschine, wie sich das einige so schön bildhaft vorstellen. Muttermilchstuhl ist noch komplett wasserlöslich, aber sobald Beikost gegeben wird legt man als oberste Schicht ein Windelvlies auf die Einlagen, was bei voller Windel samt „Feststoffen“ im Müll entsorgt wird und bei Pipiwindeln teilweise sogar mehrmals mitgewaschen und wiederverwendet werden kann. (Deswegen bitte auch NIE in der Toilette entsorgen, egal was drauf steht!)

Für saubere und hygienische Stoffwindeln braucht man heutzutage also weder die Kochwäsche noch Hygienespüler. Ehrlich!

 

…Ressourcenverschwendung!
Nö!

Auf den ersten Blick mag es so wirken, aber nimmt man sich tatsächlich mal die genauen Details dazu vor, dann zeigt sich schnell ein ganz anderes Bild.
Konkret geht es meist um das Argument des Wasserverbrauchs beim Waschen der Stoffwindeln – das ist allerdings gar nicht zutreffend. Klar braucht man Wasser und auch Strom für die Waschmaschine. Aber wer das mal anhand seiner Verbrauchsdaten hochrechnet wird feststellen, dass es dann doch deutlich weniger ist, als zuerst gedacht. Eine englische Windelstudie zu genau diesem Thema hat nämlich bewiesen, dass sich der Jahres-Wasserverbrauch des gesamten Landes (also der UK) um genau 1% (!) erhöhen würde, sofern alle Wickelkinder ausnahmslos mit Stoffwindeln gewickelt würden. EIN grandioses Prozent.

Zusätzlich wird aber zudem gern vergessen, dass die Produktion von Wegwerfwindeln auch schon deutlich Ressourcen in Sachen Wasser und Co. verbraucht und auch die Entsorgung ist da übrigens unter diesem Aspekt nicht viel besser. Eine Wegwerfwindel kann quasi nicht recycelt werden und es dauert schlappe 300 bis 500 Jahre aufwärts, bis da auf der Deponie überhaupt irgendwas passiert, denn (Überraschung!) Wegwerfwindeln verrotten aufgrund ihres Materials nicht besonders gut. Und auch die Müllverbrennung macht dieses Problem nicht wirklich besser, denn man braucht mehr Energie, um sie zu verbrennen, als sie letztlich wieder freisetzen…

Moment, was war jetzt hier noch gleich Ressourcenverschwendung?

 

…nur was für Ökos!
Nö!

Ich würde sagen das ist ganz arg davon abhängig, wie man „öko“ definiert. Wenn man damit die eher unschön gemeinte Bezeichnung aus den 1980ern meint, die Leute bezeichnet, die Birkenstocks tragen, ihre Klamotten nur Second Hand kaufen, sich hauptsächlich von Bircher Müsli ernähren und ausschließlich das Verkehrsmittel Fahrrad nutzen… ja dann – dann ist man auf dem Holzweg.
Meint man „öko“ im heutigen Sinne von umweltbewusst, ökologisch denkend, müllvermeidend und ressourcenschonend – dann hat man eindeutig irgendwie recht.
Wobei es auch genug Familien gibt, die gar nicht in erster Linie wegen des Umweltgedankens mit Stoff wickeln. Man spart Geld, reduziert bzw. vermeidet Windelausschläge und Allergien, hat gut sitzende und schöne Windeln und spart ganz nebenbei auch noch die oben bereits erwähnten bummeligen rund 1,5 Tonnen (!) Müll pro Wickelkind. Also gar nich „öko“, sondern einfach eine prima Alternative mit vielen Vorteilen.

 

…unbequem fürs Baby!
Nö!

Ich muss ehrlich gestehen, ich habe keine Ahnung, wie man auf die Idee kommt, dass Stoffwindeln unbequem sein könnten. Wirklich. Ich meine, klar, wenn man aus unserer Erwachsenensicht eine Windel in den Vergleich zu Unterwäsche stellt, dann ist der Sieger in Bequemlichkeit wohl recht eindeutig. Aber das betrifft jedwede Windel, würde ich sagen, nicht explizit Stoffwindeln. Wir Erwachsene empfinden ja aber zum Beispiel auch so manche Schlafposition schon beim Hinschauen als schmerzhaft – mit ihrem Stand der (Rücken-)Entwicklung ist das für die Babys aber äußerst bequem. Sie sind nun mal schlicht keine Mini-Erwachsenen und deshalb vieles nicht einfach von uns auf sie übertragbar.
Manche sehen auch das durch die benötigten Einlagen bedingte breite(re) Wickeln als unbequem fürs Baby an. Tatsächlich ist aber das Gegenteil der Fall und es stört die Babys nicht nur nicht, es unterstützt gerade im ersten Jahr sogar die normale anatomische Beinhaltung sowie die gesunde Hüftentwicklung und somit auch die Vermeidung von Hüftdysplasien. Zudem herrscht ein völlig anderes Windelklima, da heutige Stoffwindeln atmungsaktiv sind, die Babys so gut wie nicht darunter schwitzen und auch die Temperatur ist erwiesenermaßen etwa 1-2°C niedriger als in Wegwerfwindeln. Klingt jetzt wenig, könnte aber eines von vielen Puzzleteilchen sein, was die seit Jahren immer schlechter werdende Spermienqualität bei Männern und die damit einhergehenden, stetig steigenden Zeugungsprobleme angeht.
Und ganz davon abgesehen: Was fändet ihr spontan bequemer? Plastik oder Stoff am Popo?

 

…niemals auslaufsicher!
Doch!

Eines der am weitesten verbreiteten Vorurteile gegenüber Stoffwindeln, finde ich. Und es hält sich weiterhin äußerst hartnäckig, aber warum eigentlich?
Ganz einfach: wenn Stoffwindeln schlecht sitzen oder schlicht nicht richtig passen, dann laufen sie ziemlich zuverlässig aus. Im Umkehrschluss heißt das aber in diesem Fall genauso, dass eine gut angepasste, richtig angelegte und prima sitzende Stoffwindel im Normalfall auch zuverlässig dicht hält.
Das Problem an der Sache ist nur – nach wie vor – , dass viele Eltern gar nicht wissen, wie eine Stoffwindel denn überhaupt richtig sitzt, wie man sie ggf. anpasst und auf welche Details man im Gegensatz zur Wegwerfwindel noch so achten sollte. Folglich probieren sich viele auf gut Glück durch alle möglichen Systeme und Varianten und geben (völlig zu recht!) früher oder später total genervt auf, weil nichts funktioniert und wickeln nur noch in Stress ausartet. Und das, obwohl es gar nicht direkt an den Windeln, den Eltern oder gar dem Baby liegt, sondern an fehlenden Grundinformationen zum Produkt an sich. Und genau da kommt dann die Stoffwindelberatung ins Spiel, um das zu vermeiden.

Und um das noch kurz anzumerken: Fast alle Stoffwindeln sind durch ihre Bein- und vor allem die Rückenbündchen übrigens per se deutlich auslaufsicherer als Wegwerfwindeln. So klassische Mütter-Geschichten rund um „Kackplosionen“ und „bis hoch zum Nacken“ kriegt man bei Stoffwindel-Eltern äußerst selten zu hören.

 

…nichts für unterwegs, den Urlaub oder die Kita!
Doch!

Warum auch nicht? Nur weil man die Windeln wieder mit nach Hause nehmen muss, um sie zu waschen?

Im Urlaub ist es relativ einfach: Je nachdem wohin man fährt hat man vermutlich in den meisten Fällen in irgendeiner Weise eine Waschmaschine zur Verfügung. Dann läuft alles wie zuhause auch. Hat man keine, dann kommt es vor allem auf das verwendete System und natürlich die Länge des Urlaubs an, eventuell hat man dann einfach nur mehr Aufwand, weil man im schlechtesten Fall dann irgendwie ohne Maschine waschen muss.

Für unterwegs braucht man lediglich eine größere Wickeltasche als für Wegwerfwindeln, einfach weil die Windeln selbst ja im Vergleich nicht genauso platzsparend sind im Transport. Für die vollen Windeln gibt es spezielle Nasstaschen, die wasser- und auch weitestgehend geruchsdicht sind.

Gleiches gilt für die Kita. Dort landet die volle Windel in eben so einer Nasstasche und wird täglich mit nach Hause genommen – es ändert sich also nur der Ort, wo die Windel letztlich landet, der Wickelablauf selbst bleibt ja derselbe. Hier ist es allerdings Ehrensache, dass man es den Erziehern so einfach wie möglich macht und alles wickelfertig vorbereitet oder z.B. das System auf ein einfacheres umstellt. Kommunikation heißt hier, wie so oft, das Zauberwort.
Oft hört man übrigens von Eltern, dass Kitas Stoffwindeln aus hygienischen Gründen rigoros ablehnen. In vielen Fällen sind die Einrichtungen auch gar nicht erst bereit sich das Konzept überhaupt im Voraus anzuschauen und von den Eltern erklären zu lassen. Hier hilft nur sachliche Information und nicht gleich aufgeben. Bezüglich der Hygiene von Stoffwindeln in Kitas gibt es vom Gesundheitsamt übrigens gar keine greifbaren Einwände. Alle generellen Auflagen zum hygienischen Wickeln können auch problemlos mit Stoffwindeln erfüllt werden. Man muss halt nur wollen.

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